Gustav Schwab
Die schönsten Sagen des klassischen Altertums
Aus der Heraklessage
Für diese Tat wurde dem Halbgott hohe Gunst von den Himmlischen zuteil. Zeus nannte diejenigen unter den Göttern, welche den Kampf mit ausfechten geholfen, Olympier, um durch diesen Ehrennamen die Tapfern von den Feigen zu unterscheiden. Dieser Benennung würdigte er nun auch zwei Söhne sterblicher Weiber, den Dionysos und den Herakles.
HERAKLES UND EURYSTHEUS
Vor des Herakles Geburt hatte Zeus im Rate der Götter erklärt, der erste Perseusenkel, welcher geboren werden würde, sollte der Beherrscher aller übrigen Nachkommen des Perseus werden. Diese Ehre war seinem und Alkmenens Sohne zugedacht. Aber Heras Hinterlist, welche dieses Glück dem Sohne der Nebenbuhlerin nicht gönnte, kam ihm zuvor und ließ den Eurystheus, der auch ein Enkel des Perseus war, obwohl er später als Herakles zur Welt kommen sollte; früher geboren werden. Dadurch war Eurystheus König zu Mykene im Argiverlande und der später geborene Herakles ihm unterworfen. Jener sah mit Besorgnis den steigenden Ruhm seines jungen Verwandten und berief ihn, als seinen Untertan, zu sich, um ihm verschiedene Arbeiten aufzutragen. Da Herakles nicht gehorchte, so ließ Zeus selbst, der seinem Ratschlusse nicht zuwiderhandeln wollte, seinem Sohne befehlen, dem Argiverkönige seine Dienste zu widmen. Aber der Halbgott entschloß sich ungerne, der Diener eines Sterblichen zu sein; er ging nach Delphi und befragte das Orakel darüber. Dieses gab ihm zur Antwort: die von Eurystheus erschlichene Oberherrschaft sei von den Göttern dahin gemildert, daß Herakles zehn Arbeiten, welche jener ihm auflegen würde, zu vollbringen habe. Wenn solches geschehen sei, sollte er der Unsterblichkeit teilhaftig werden.
Herakles fiel hierüber in tiefe Schwermut; einem Geringeren zu dienen widerstrebte seinem Selbstgefühl und deuchte ihm unter seiner Würde; aber Zeus, dem Vater, nicht zu gehorchen, erschien ihm unheilbringend und unmöglich zugleich. Diesen Augenblick ersah sich Hera, aus deren Seele die Verdienste des Herakles um die Götter den Haß nicht zu tilgen vermocht hätten,